ðåôåðàò Deutsche Sprachgeschichte

Thema I.  Entstehen und Entwicklung der deutschen Sprache.

Plan
1. Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte.
2. Die deutsche Gegenwartssprache, ihre Existenzformen und die nationalen
Varianten
    der deutschen Sprache.
3. Verwandtschaftsbeziehungen der deutschen Sprache.
4. Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
5. Vorgeschichte der deutschen Sprache.
6. Das Werden der deutschen Sprache. Das Wort " deutsch ".
7. Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frühhochdeutsch, Neuhochdeutsch.

1. Gegenstand der deutschen Sprachgeschichte.
   Diese theoretische Disziplin muß  die  Studenten  mit  den  Anfängen  der
deutschen Sprache vertraut machen. Die Aufgabe dieses Lehrgangs  besteht  in
folgendem :
1) sprachliche Prozesse  zu  erklären,  die  die  deutsche  Sprache  zu  dem
heutigen Zustand gebracht haben;
2) den systematischen Charakter der historischen Wandlungen in der Sprache
und den
Charakter der Zusammenhänge zwischen den Veränderungen im  phonetischen  und
grammatischen Sprachbau aufzudecken;
3)  sprachliche  Erscheinungen  zu  erklären,  die   heute   Überreste   der
ehemaligen Perioden der Sprachgeschichte sind;
4) die Beziehungen zwischen der Geschichte der  deutschen  Sprache  und  der
Geschichte
der deutschsprachigen Gesellschaft zu verfolgen.
   Für diesen theoretischen Lehrgang sind 32 Stunden vorgesehen:
         16 Stunden für die Vorlesungen und
         16 Stunden für die Seminare.
Der Lehrgang schließt sich mit einer Prüfung ab.

2. Die deutsche  Gegenwartssprache , ihre Existenzformen und die nationalen
Varianten der deutschen Sprache.
   Die deutsche Sprache ist Staatssprache in Deutschland  ,  Österreich  und
Liechtenstein und ist eine der vier offiziellen Sprachen in der Schweiz  und
eine der Sprachen in Luxemburg.
  Die Zahl  der  Deutschsprechenden  beträgt  in  diesen  Ländern  über  110
Millionen Menschen.
  Die deutsche Gegenwartssprache hat einige historisch bedingte
Existenzformen :
   1) die gemeindeutsche nationale Literatursprache,
   2) deutsche Territorialdialekte ( Lokalmundarten ),
   3) städtische Halbmundarten und Umgangssprache.
  Die  wichtigste  Existenzform  der  deutschen  Gegenwartssprache  ist  die
deutsche nationale  Literatursprache ( Hochdeutsch, Hochsprache ).  Sie  ist
in den deutschsprachigen Staaten die  Sprache   der  schönen  Literatur  und
Kultur , der Wissenschaft , der Presse, des Rundfunks und des  Fernsehens  ,
die Amtssprache und Schulsprache, die Sprache des öffentlichen Verkehrs  und
auch die gepflegte Sprache des privaten Umgamgs (  die  literatursprachliche
Alltagssprache ).
  In den  deutschsprachigen  Ländern  weist  die  deutsche  Literatursprache
gewisse Eigenheiten im Wortschatz , in  der  Aussprache  ,  in  Wort  -  und
Formenbildung auf.

                                                               - 1 -

  Man  unterscheidet  nationale  Varianten  der  deutschen  Literatursprache
Deutschlands , Österreichs und  der  Schweiz.  So  sagt  man  in  Österreich
Jänner für Januar, Kleider -kasten für Kleiderschrank. In der Schweiz  heißt
es Rundspruch für Rundfunk, anläuten für anrufen u. a. m. ( s. Mo. S.24 )
  Deutsche Territorialdialekte sind die älteste Existenzform  der  deutschen
Sprache. Sie haben sich im  mittelalterlichen  Deutschland  gebildet.  Heute
sind  sie  in  schnellem  Rückgang  begriffen.  Man  teilt   die   deutschen
Territorialdialekte in Niederdeutsch ( Platt-   deutsch  )  und  Hochdeutsch
ein , Hochdeutsch gliedert sich  in Mitteldeutsch und Ober-deutsch unter.  (
Karte der deutschen Dialekte ).
Dialekt oder reine Mundart wird heutzutage nur von den  ältesten  Leuten  in
Dörfern und
gebirgigen Gegenden gesprochen.
  Also hat der Terminus " Hochdeutsch " zwei Bedeutungen :
  1) hochdeutsche Dialekte ( Mitteldeutsch und Oberdeutsch )
  2) Hochsprache zum Unterschied von den Mundarten und von der
Umgangssprache. Städtische Halbmundarten und Umgangssprache stehen zwischen
der Literatursprache
und Lokalmundarten ( Territorialdialekten ). Sie sind eine weit  verbreitete
Sprachform.   Die   städtischen   Halbmundarten   bilden   sich    in    der
frühbürgerlichen Zeit mit dem   Aufkom men und mit dem Wachstum  der  Städte
durch Sprachmischung und Sprachausgleich  heraus.  Sie  haben  die  primären
Merkmale der Mundarten eingebüßt (beseitigt ) und nur  die  sekundären,  die
weniger auffälligen Besonderheiten  der  heimischen  Mundarten  beibehalten,
z.B. im Berlinischen heißt es " Jans " für " Gans ", oder "  Kopp  "  für  "
Kopf ".
     Heutzutage    sind     großlandschaftliche     Umgangssprachen     bzw.
Ausgleichssprachen
(  z.B.  Obersächsisch,   Berlinisch,   Pfälzisch,   Bairisch,   Schwäbisch,
Württembergisch u.a.m. ) die Hauptarten der Umgangssprache nicht nur in  den
städtischen und  Industrie-  gebieten,  sondern  auch  auf  dem  Lande.  Sie
existieren parallel zur literatursprachlichen Alltagsrede und  unterscheiden
sich von ihr durch größere oder geringere landschaftliche Färbung.

3. Verwandschaftsbeziehungen der deutschen Sprache.
   Die deutsche Sprache gehört  zum germanischen Sprachzweig der
indoeuropäischen Sprachfamilie.
   Die Verwandtschaft  der  germanischen  Sprachen  beruht  auf  gemeinsamer
Abstammung von den Stammesdialekten der alten Germanen. Sie  lebten  um  die
Mitte des I. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung  rund  um  die  westliche
Ostsee, zwischen der Oder und der Elbe, in Jütland und in  Skandinavien  und
waren in einige große Stammesverbände zusammengeschlossen. Mit dem  Wachstum
der Stämme vollzog sich ihre Aufspaltung und das  brachte  noch  vor  Beginn
unserer  Zeitrechnung  die   sprachliche   Aufspaltung   herbei.   Aus   den
germanischen  Stammesdialekten  bildeten  sich  später  mehrere  germanische
Sprachen.
   Man gliedert die altgermanischen Sprachen in drei Gruppen :
1) nordgermanische ( oder skandinavische ) Sprachen, ( Altschwedisch,
Altnorwegisch,
Altisländisch );
2) westgermanische Sprachen ( Altenglisch, Althochdeutsch,
Altniederländisch, Alt-
friesisch );
3) ostgermanisch ( Gotisch  als Sprache bestand zum 7. Jahrhundert ).
   Heutzutage unterscheidet man zwei Gruppen von germanischen Sprachen :
nordgermanische ( skandinavische ) Sprachen :

                                                                - 2 -

1. Schwedisch
2. Dänisch
3. Norwegisch
4. Isländisch
5. Färöisch ( die Sprache der Färöer, wird auf den Färöen - Inselgruppe im
Nordatlantik
- gesprochen )
westgermanische Sprachen :
1. Deutsch
2. Englisch
3. Niederländisch
4. Friesisch ( in den Niederlanden ,  Niedersachsen  in  der  BRD,  auf  den
Friesischen
   Inseln )
5. Afrikaans  (  eine  der  Staatssprachen  der  Republik  Südafrika,  neben
Englisch )
   Die Verwandschaft der germanischen Sprachen kann  man  auch  heute  trotz
jahrhun-derte  langer eigenständiger Entwicklung feststellen. Sie kommt :
a) im gemeingermanischen Wortschatz,  b)  in  der  Morphologie,  c)  in  der
Wortbildung zum Ausdruck.
a) Der gemeingermanische Wortschatz, z.B. :
    d.      Vater     Wort     bringen
    e.      father     word    bring
    nl.     vader     woord  brengen
   schw. fader       ord      bringa
b) Der Ablaut der starken Verben, z.B. :
    d.       trinken - trank - getrunken
    e.       drink - drank - drunk
    nl.      drinken - dronk - gedronken
    schw. dricka - drack - drucken
c) Wortbildunssuffixe :
    d.  - schaft - Freundschaft
    e.  - ship    - friendship
    nl. - schaß - vriendschaß
    schw. - skaß - vänskap

4. Periodisierung der deutschen Sprachgeschichte.
   Die Geschichte  der  deutschen  Sprache  läßt  sich  in  einige  Perioden
gliedern. Kriterien dafür sind :
   a) Wandel des Sprachkörpers, d.h. Wandlungen  im  phonologischen  System,
in  Formenbestand,  Wortbildung  und  Wortschatz,  die  sich  im  Laufe  von
Jahrhunderten all-mählich anhäufen und beträchtliche  Veränderungen  in  der
Sprache hervorrufen.
   b) Wandel der  Existenzformen  der  Sprache  :  ob  die  Sprache  nur  in
gesprochener Form existiert oder auch ein Schrifttum besitzt, ob sie nur  in
Form von Mundarten lebt oder auch übermundartliche Existenzformen hat.
   Die ältesten deutschen Schriftdenkmäler stammen aus  dem  VIII.  Jh.  Die
Geschichte der deutschen Sprache wird also seit dem Beginn der  sprachlichen
Überlieferung bis zur Gegenwart in folgende Perioden gegliedert :
   Althochdeutsch (Ahd ) - von 750 bis um 1050;
   Mittelhochdeutsch ( Mhd ) - von etwa 1050 bis um 1350 ;
   Frühneuhochdeutsch ( Fnhd ) - von etwa 1350 bis um 1650 ;
   Neuhochdeutsch ( Nhd ) - von etwa 1650 bis zur Gegenwart.
                                                              - 3 -

        Thema II. Vorgeschichte der deutschen Sprache
Plan
  1. Die alten Germanen und ihre Sprachen.
   2. Urgermanisch.
   3. Urgermanische phonologische Neuerungen. Die Akzentverschiebung.
     Die erste ( I ) germanische Lautverschiebung
      Das Vernersche Gesetz
      Der traditionelle grammatische Konsonantenwechsel

1. Die deutsche Nationalität ist aus  den  westgermanischen  Großstämmen  im
frühen Mittelalter hervorgegangen  . Deshalb  müssen  wir  zuerst  über  die
alten Germanen und
ihre Sprache sprechen.
  Die Germanen sind aus  einer  Gruppe  von  urindoeuropäischen  Sippen  und
Stämmen entstanden.  Die  Entwicklung  des  germanischen  Volkstums  mag  im
dritten  Jahrhundert  v.u.Z.  begonnen  haben.  Um  diese  Zeit  lebten  die
Germanen in Südskandinavien, an der Ostseeküste, auf der  Halbinsel  Jütland
und im Raum der Elbmündung. Hier hat sich im  Laufe  der  jahrtausendelangen
Sonderentwicklung, vermutlich zwischen 3000 - 1000
v.u.Z. ein besonderer  Sprachtyp,  die  germanische  Grundsprache  oder  das
sogenannte Urgermanisch herausgebildet.
  Die alten Germanen waren ein Hirten- und  Jägervolk.  Sie  brauchten  neue
Gebiete für ihre Viehzucht  und  so  wanderten  sie  im  ersten  Jahrhundert
v.u.Z. bis an den Rhein und an die untere Donau. In dieser  Zeit  kamen  die
barbarischen Stämme der Germanen in Berührung mit der antiken Welt.  Es  kam
auch zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern.
  Aus dieser Zeit stammen die ersten schriftlichen Überlieferungen über  die
germanischen  Stämme  des  Altertums.  Sie  finden  sich   in   den   Werken
griechischer und römischer Schriftsteller aus der Zeit zwischen dem IV.  Jh.
v.u.Z. ( der griechische Geograph und Astronom Pytheas aus  Massilia  )  und
dem I.-II Jh. u.Z. ( das berühmte Werk  des  römischen  Geschichtsschreibers
Tacitus  "  Germania  ",  die   Weltgeographie   des   Ptolomäus   ).   Seht
aufschlußreich ist das Werk des römischen Feldherrn  Gaius  Julius  Cäsar  (
100 - 44 v.u.Z. ) " Gallischer Krieg " ( 52 v.u.Z. ).
  Aus dem ausführlichen Bericht Cäsars erfahren wir, daß die Germanen im  I.
Jh.   v.u.Z.   noch   unter    den    Verhältnissen    einer    festgefügten
Gentilgesellschaft   lebten,  einer  patriarchalichen  Sippe.   Die   Sippen
schlossen sich in zahlreiche größere Stämme zusam-
men. Sie hießen Gimbern, Teutonen, Herusker,  Batawer,  Brukterer,  Hatuarii
u.a.m. An der Spitze der Sippe stand der Sippenvorsteher (  germ.  kuning  -
König ). Aus den Sip-
penvorstehern bildete sich der Stammesrat. Für Kriegszüge  und  Kriegsfürung
wurden außerdem Heeresführer ( germ. herizogo ) gewählt.
  Um das Jahr 100 u.Z. lebten die Germanen in folgenden Siedlungsgebieten :
 - in Skandinavien ( dort lebten die Nordgermanen oder die Skandinavier )
 - an der Ostseeküste und an der unteren Wisla ( die Goten,  die  Burgunden,
die Wanda-
   len, d.h. die Ostgermanen.
 - zwischen der Elbe und dem Rhein ( Ingwäonen, Istwäonen, Herminonen,  d.h.
West-
   germanen ).
    Dementsprechend  unterscheidet  man  drei  Gruppen  der  altgermanischen
Sprachen :
      nordgermanische oder skandinawische Sprachen
      ostgermanische Sprachen ( Gotisch )
      westgermanische Sprachen
                                                                 - 4 -


   In den ersten fünf Jahrhunderten  u.Z.  wanderten  die  Germanen  in  die
neuen Wohngebiete zwischen Donau, Rhein und Nordmeer,  später  in  Südeuropa
und Nordafrika ein. Diese  Zeit  ist  als  Zeit"  großer  Völkerwanderung  "
bekannt. F. Engels hat sie in seinem Werk " Zur Urgeschichte  der  Deutschen
" ausführlich geschildert.
2. Wie schon gesagt, wird die Sprache der alten  Germanen  als  Urgermanisch
bezeichnet.
Das Urgermanische war eine  mehr  oder  weniger  einheitliche  Sprache  oder
vielmehr ein Kontinuum von engverwandten  Dialekten.  Diese  Dialekte  waren
schriftlos.
  Vom Sprachkörper des Urgermanischen besitzen  wir  keine  Zeugnisse.  Doch
können  die  wichtigsten  Charakterzüge  des  Urgermanischen   rekonstruiert
werden, z.B. der Wortschatz.
  Verwandtschaftsnamen :
d. Mutter - ahd. muoter, as. modar, ae. moder -  russ.  ìàòü,  ìàòåðè,  lat.
mater, griech. meter.
d. Vater - ahd. fater, got., as. fadar, ae. f  dar  -  lat.  pater,  griech.
pater, ai. pitar.
3. Das Urgermanische  besaß  bestimmte  Neuerungen  im  Wortschatz,  in  der
Formenbildung und im phonologischen System. Zu  den  wichtigsten  Neuerungen
im phonologischen System des Urgermanischen gehören  die  Akzentverschiebung
und die
I. germanische Lautverschiebung.
1) Die erste oder germanische Lautverschiebung ( das Grimmsche Gesetz )  ist
ein durchgreifender Wandel im Konsonantensystem, der sich im  Urgermanischen
vermutlich im Zeitraum  von  2000  bis  1000  v.u.Z.  vollzogen  hat.  Diese
phonetische Erscheinung wurde 1882 von dem deutschen  Wissenschaftler  Jakob
Grimm erforscht. Unter dem Terminus " Verschiebung " verstand J.  Grimm  die
teilweise   Veränderung   der   Artikulationsstelle   der   indoeuropäischen
stimmlosen und stimmhaften Konsonanten (Explosivlaute ).  Man  unterscheidet
drei Akte in der I. germanischen Lautverschiebung :
 - 1. Die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden im Urgermanischen zu
stimmlosen Frikativlauten f, p, h; z.B.
 sanskr. = ai. pitar, griech. pater, lat. pater - got. fadar,ae. father,
ahd. fater.
 griech. treis, lat. tres, ðóññ.òðè -got. preis, as. thria, ae. three.
 griech. kardia, lat. cor - got. hairto, as. herta, ahd. herza.
 - 2. Die i/e stimmhaften Explosivlaute b, d, g wurden im Urgermanischen  zu
stimmlosen  p, t, k,
 z.B.  ðóññ. ÿáëîêî -engl. apple; ðóññ.ñëàáûé -nieddt. slap.
          lat. duo, ðóññ. äâà- got. twai, e. two
         lat. jugum, ðóññ. èãî - got. juk, aisl. ok "Joch "
 - 3. Die i/e stimmhaften behauchten Explosivlaute  bh,  dh,  gh  wurden  im
Urgermanischen zu stimmlosen unbehauchten Frikativlauten ( b,  d,  g.)  oder
zu stimmhaften unbehauchten Explosivlauten b, d, g, dh. bh> b> b, dh> d>  d,
gh>g> g    z. B. :
   sanskrit= ai.  bhratar,  ðóññ.  áðàò  -  got.  bropar,  as.  brothar,  e.
brother,
   ahd. bruodar
   ai. rudhiras, tschech. rudy ( rot) , ðóññ. ðóäîé, ðûæèé - got. raups,
   Gen. raudis, ahd. rot.
   ai. stighnomi,  ðóññ.  íàñòèãàþ,griech.  steicho  -  got.  steigan,  ahd.
stigan
       2) Das Vernersche Gesetz.
    Aber die i/e stimmlosen Explosivlaute p, t, k wurden  zu  stimmlosen  f,
p, h, nur wenn
der Wortakzent unmittelbar auf dem  Vokal  vor  diesen  Explosivlauten  lag,
also :
- f, - p, - h. In allen anderen Fällen wurden sie stimmhaft , also :
                                    - 5 -


f, p, h > b, d, g, später b, d, g in : - - b, b - >b, - - d - > d; - - g,  g
- >g
   Diese Gesetzmäßigkeit formulierte 1877 der dänische Gelehrte Karl  Werner
und sie wird das Vernersche Gesetz genannt.
  z.B. ðóññ. ñâ¸êîð - ahd. swehur
      aber  ñâåêðîâü ahd. swigar.
So  kann  Karl  Verner  zu  der  Schlußfolgerung,   daß   während   der   I.
Lautverschiebung  der  Wortakzent  im  Urgermanischen  noch  frei   wie   im
Indoeuropäischen war.
  Derselbe akzentbedingte Wandel betraf  das  urgermanische   S  ,  das  zum
stimmhaften
[ Z ] wurde, wenn nicht  der  unmittelbar  vorausgehende  Vokal  den  Akzent
trug, also - s,
aber - - z, - z -.
Später wurde z zu r. Diesen Wandel nennt man den Rhotazismus (  vom  griech.
ro = r ),
und so wechseln s und r, z.B.
  ahd. wesan - was - warum               ñð. Àíäðåé - Àíäæåé
  nhd ( wesen) - war - waren                     Àíðè - Àíæåé
3) Der grammatische Wechsel.  Da  der  Akzent  im  Indoeuropäischen  und  im
frühesten rgermanisch = frei, beweglich war, lag er ( der Wortakzent )  bald
auf dem Wur-zelmorphem, bald auf dem Flexionsmorphem bzw. auf dem  affixalen
Morphem. Deshalb wirkte  das  Vernersche  Gesetz  nur  auf  einen  Teil  der
Wortformen bzw. der Wörter einer  Wortfamilie.  Dadurch  entstand  der  sog.
grammatische ( Konsonanten  )-Wechsel,  d.h.  der  Wechsel   stimmloser  und
stimmhafter Frikativlaute f, p, h, s / b, d, g, z.
 Dieser Wechsel blieb auch  in  den  germanischen  Einzelsprachen  nach  der
Festlegung des Akzents auf der ersten (Wurzel)silbe erhalten.  So  hat  z.B.
das Deutsche den grammatischen Wechsel :
  f / b > :  die Hefe - heben
              ahd. hefe - heffen - huob - um - gehoben
                darben - bedürfen
  p > d > d / d > t :
                schneiden - schnitt - geschnitten
                der Schneider - der Schnitter
  h / g > g :
                ziehen - zog - gezogen
  s / z > r :
                war - gewesen; verlieren - der Verlust,
                                        frieren - der Frost.
4) Die Akzentverschiebung  . Eine wichtige Neuerung des  Urgermanischen  war
auch der Wandel der  Akzentverhältnisse.  Das  Indoeuropäische  hatte  einen
freien, beweglichen Akzent. Daß auch das älteste Urgermanisch  einen  freien
Akzent haben mußte, geht aus dem Vernerschen Gesetz hervor. Doch  vermutlich
noch während des Ablaufs  der  germanischen  Lautverschiebung  hat  sich  im
Urgermanischen  der  Übergang  zur  Anfangsbetonung  vollzogen,   die   alle
altgermanische Sprachen aufweisen ( haben ).
  Die Festlegung des Akzents auf die  erste  (  Wurzel  -)silbe  des  Wortes
hatte weitgehende Folgen für  die  weitere  Entwicklung  des  phonologischen
Systems und der morphologischen Struktur  der  germanischen  Einzelsprachen.
Die Festlegung des Akzents auf die erste Silbe führte im Deutschen :
 - zu der Abschwächung der verschiedenen unbetonten Vokale zu  [ 8 ]
 - zu der Reduzierung der Silbenanzahl in der Wortstruktur, zu der
Vereinfachung der
Kasusflexionen der Substantive und der Personalendungen der Verben.
                                    - 6 -


 - und als Folge dessen entstand später im Deutschen die obligatorische
Zweigliedrig -keit  im Satz ( Subjekt - Prädikat ). z.B.:
  Beispiele für die Abschwächung der unbetonten Vokale
ahd. machota > mhd. machete - nhd. machte
      herizogo > herzoge - Herzog
      menisco > mensche - Mensch
      diutisc > diutsch - deutsch
      sconi > schöne - schön
1. gibu - ich gebe
2. gibis - du gibst
3. gibit - er gibt
1. gebames - wir geben
2. gebet - ihr gebt
3. gebaut - sie geben



Thema    III. Das Werden der deutschen Sprache.
Plan
1. Die Herausbildung der deutschen Nationalität.
2. Das Wort " deutsch ".

1. Die deutsche Nationalität ist aus den  westgermanischen  Großstämmen  der
Franken, Bayern, Alemannen, Thüringer und Sachsen in der Zeit vom  V-VI  Jh.
bis zur Mitte des XI. Jahrhunderts hervorgegangen. Eine führende  Rolle  bei
der Herausbildung der deutschen Nationalität spielten auf  der  Anfangsstufe
dieses Prozesses die  Franken.  Nach  der  Eroberung  der  römschen  Provinz
Gallien gründeten die Franken 486  das  Frankenreich,  das  die  fränkischen
Territorien östlich des Rheins und das neueroberte Gallien vereinigte.  Hier
beginnt die intensive Enwicklung der feudalen Gesellschaft. 496  nehmen  der
fränkische König Chlodwig und der Adel das Christentum an. Die  Sprache  des
katholischen Gottesdienstes, das  Latein,  wird  auch  zur  Amtssprache  des
Staates. Das Frankenreich besteht bis zur Mitte  des  IX.  Jahrhunderts.  Es
erlebt seine Blütezeit in der spätfränkischen Zeit, unter  Karl  dem  Großen
aus dem Geschlecht der Karolinger ( 724 -  814  ).  Unter  Karl  dem  Großen
breitet sich  das  Frankenreich  auf  das  Territorium  vieler  europäischer
Länder aus.
  Der Zusammenschluß der Franken, Alemannen, Bayern, Thüringer  und  Sachsen
im fränkischen Großreich legte den Grundstein zu  ihtem  Zusammenwachsen  zu
einer Nationalität. Doch konnte dieser Prozeß im Rahmen  des  Frankenreiches
nicht  abgeschlossen  werden.  Das  Frankenreich  war  ein   mehrsprachiger,
ethnisch bunter, lockerer Staat, der keine  einheitliche  ökonomische  Basis
besaß und schwach zentralisiert war.
   Ein entscheidener Schrift zur  endgültigen  Herausbildung  der  deutschen
Nationalität
war die Aufteilung des karolingischen Großreichs unter den Enkeln  Karl  des
Großen,
die Trennung seines westlichen ( französischen ) Teils von dem  östlichen  (
deutschen ) und die Abgrenzung in Sprachgruppen.
  Durch den Vertrag von Verdun im Jahre 843 entstanden 3 Reiche :
1.     Karl  der  Kahle  erhielt  das  Ostfränkische  Reich  (  das  spätere
Frankreich );
2.    Ludwig der Deutsche erhielt das  Ostfränkische  Reich  (  das  spätere
          Deutschland);
                                     - 7

3.    Lothar erhielt das Mittelreich ( Italien und das Gebiet  zwischen  dem
Rhein, der Schelde und der Rhone, das später nach ihm  Lotharingien  benannt
wurde ).
  Von  der   sprachlichen  Teilung,  die  sich  nach  der  Aufspaltung   des
fränkischen  Großreichs  vollzogen  hatte,   gibt   eine   Vorstellung   das
Schriftdenkmal " Die Straßburger Eide ". Dieses Dokument  entstand  842.  Es
enthält den Text des Eides Karls des Kahlen und  Ludwig  des  Deutschen  und
ihrer Heere, womit sie  ihre  Bundesgenossenschaft  im  Kampf  gegen  Lothar
beschwören mußten. Wie alle Dokumente jener Zeit wurde  er  in  lateinischer
Sprache abgefaßt. Damit aber beide Heere den Eid  verstehen  konnten,  wurde
er auch  in  zwei  heimische   Sprachen  übertragen  :  in  römisch  (  d.h.
altfranzösisch )  und in rheinfränkisch ( eine ahd. Mundart ).
2. Das Wort "deutsch ".
        Der aus dem  Osrfränkischen  Reich  hervorgegangene  deutsche  Staat
wurde im 9. Jahrhundert vorwiegend  Teutonia,  "  das  Teutonische  Reich  "
genannt. In vielen lateinischen Quellen finden sich in  derselben  Bedeutung
auch die Bezeichnungen Germania, Germani, germanikus. Das Wort "  deutsch  "
tritt zuerst 786  in  lateinischer  Form  "theodiscus  als  Bezeichnung  der
Sprache auf . Belegt ist um 800 auch der Ausdruck Teudisca lingua. Es  heißt
zuerst " völksmäßige Sprache "  vom   got   piuda,  ahd.  diot  "Volk"   und
bezeichnet eine beliebige  germanische  Sprache  gegenüber  dem  Latein.  Im
Frankenreich bekommt es dann die eigentliche Bedeutung " deutsche  ",  wobei
die zwei heimischen Sprachen des Reiches  als  Teudiska  und  Romana  lingua
einander gegenübergestellt werden; " deutsch " wird  also  zum  Synonym  von
teutonicus   "Teutonisch ". Um 1000 trifft man schon im deutschen  Text  die
Bezeichnungen  diutiskiu  liute  und  diutisciu  lant,  woraus   im   XV-XVI
Jahrhundert die Zusammensetzung Teutschland, Deutschland .



   Thema  IV.
                        Althochdeutsch ( 770 - 1050 )
Plan
1. Die althochdeutschen Territorialdialekte.
2. Die Sprachdenkmäler des Althochdeutschen.
3. Die Existenzform der Sprache in der althochdeutschen Zeit.

1  Die ahd. Periode umfaßt ca. drei Jahrhunderte, also  von  770  bis  1050.
770 ist der  Anfang  des  deutschen  Schrifttums.  Das  deutsche  Schrifttum
diente in erster Linie den Bedürfnissen der christlichen  Missionierung  und
des Lateinunterrichts [ vom lat. missio = schicken - die  Missionierung  ist
eine Tätigkeit, die die Verbreitung einer Religion,  hier  des  Christentums
dient ].
   Aus  dem  Lateinischen  wurden  in  die  heimischen   Territorialdialekte
Glaubensbekennt -nisse, Gebete und theoretische Traktate übersetzt.
   Althochdeutsch  ist  ein  Terminus  für  die  Bezeichnung  des  frühesten
Deutsch. Darunter versteht man die Sprache der althochdeutschen Stämme,  die
das mittlere und südliche
Deutschland im  frühen  Mittelalter  bewohnt  haben  (  Franken,  Alemannen,
Bayern ).
   Im  Ahd.  unterscheidet  man  zwei  Gruppen  von  Territorialdialekten  :
Mitteldeutsch und Oberdeutsch.  Die  Grenzen  der  ahd.  Territorialdialekte
wurden von den Herzogtümern bestimmt, die gegen Ende  des  IX.  Jahrhunderts
und zu Beginn des X. Jahrhunderts im Ostfrankenreich  entstanden  waren  und
im Deutschen Reich fortbestanden.
                                    - 8 -


  Zu den oberdeutschen Dialekten gehören :
 1. Bairisch
2. Alemmanisch
3. Oberdeutsches Fränkisch   a) Südfränkisch
                                              b) Ostfränkisch
  Zu den mitteldeutschen Territorialdialekten zählt man :
1. Mitteldeutsches Fränkisch  a) Rheinfränkisch
                                              b) Mittelfränkisch
2. Thüringisch.
  Oberdeutsch sprach man im Süden des  Landes,  Mitteldeutsch  im  zentralen
Teil,  aber  im  Norden  sprach  man  Niederdeutsch,  das   sich   von   dem
Hochdeutschen durch das Fehlen der  zweiten  hochdeutschen  Lautverschiebung
unterscheidet.    Die    niederdeutschen    Territorialdialekte    schließen
Niederfränkisch und Niedersächsisch ein.
 2. Die Sprachdenkmäler des Althochdeutschen.
  Das älteste ahd. Sprachdenkmal ist das Glossar von Keron,  das  um  750  (
770 ) von dem Mönch Keron in Sant-Gallen zusammengestellt war.  Das  Glossar
ist  ein  Wörterverzeichnis  mit  Übersetzung  und   Erklärungen.   Es   ist
alemannisch verfaßt.
  Die Hauptdenkmäler des Alemannischen sind : die " Benediktiner Regel  "  (
Anfang des IX. Jh.) , das "Georgslied " ( X. Jh.), die Werke von Notker (  X
-XI.Jh. ).
  Als Hauptdenkmal des Bairischen seien genannt : "  Muspilli  "(  IX  Jh.),
"Merigato " (Ende des XI.Jh. ).
  Das Ostfränkische ist in erster Linie durch den "  Tatian  "  vertreten  (
die erste Hälfte des IX. Jh. )
   Das  Rheinfränkische  hat  den  "  Isidor  "  (  VIII.Jh.   )   und   das
Evangelienbuch von Otfrid     ( IX Jh.) als wichtigste Denkmäler.
    "  Tatian  "  ist  die  Übersetzung  (  aus  dem  Lateinischen  in   das
Osrfränkische ) der " Evangelienharmonie "(  Bibeltext  )  des  christlichen
Schriftstellers Tatian aus  Syrien  (II.Jh.).  Diese  Übersetzung  wurde  in
Fulda  um  830   angefertigt.   Das   ist   eines   der   bedeutenden   ahd.
Sprachdenkmäler.
  " Isidor " ist die Übersetzung des theologischen Traktats  des  spanischen
Erzbischofs von Sevilla Isidor  (  560  -  636  )."  Über  den  katholischen
Glauben ". Die Übersetzung entstand Ende des VIII. Jh.
   "  Muspilli  "(  ca.  830  )  ist  eines  der  wichtigsten  und  poetisch
wertvollsten Denkmäler der ahd. Literatur. Es  berichtet  vom  Weltende  und
vom Jüngsten Tag. Das als Bruchstück (  103 Verse ) erhaltene  Poem  ist  im
Stabreim ( altgermanischer alliterirender Vers ) gedichtet.
  Die altgermanische epische Dichtung ist uns nur in einem Fragment aus  dem
" Hildebrandslied "( um 780 ) überliefert. Dieses  einzige  epische  Denkmal
entstand vermutlich im VII Jh. und wurde fast zwei  Jahrhunderte  später  im
Kloster  Fulda  aufgezeichnet.  Es  berichtet  über  den  Kampf  des  Vaters
Hildebrand und seines Sohns Hadubrand, der den Vater nicht erkennt  und  ihn
für  einen  lustigen  Hunnen  hält.  Das  Ende  des   Streites   ist   nicht
überliefert. Das Gedicht ist in alliterierendem Vers gedichtet.
3. Die Existenzform der Sprache in der ahd. Zeit.
  In dieser Zeit gab es noch keine deutsche Gemeinsprache. Die einzige
Existenzform der werdenen deutschen Sprache waren die Territorialdialekte.
Es fehlte eine einheitliche ökonomische Basis sowie ein intensiver Verkehr
zwischen den einzelnen Landschaften. All das hinderte an der Herausbildung
einer einheitlichen Verkehrssprache. Die Entwicklung des Schrifttums ( VIII
Jh.) und die Entwicklung der religiösen Übersetzungsliteratur führten zu
einer tiefgreifenden Entwicklung der deutschen Sprache.
                                    - 9 -
                 Thema  V
                       Mittelhochdeutsch ( 1050 -1350 )
Plan
1. Die zeitlichen Grenzen der mhd. Periode
2. Die Literatur des Mittelhochdeutschen.
3. Die Mittelhochdeutschen Dialekte.
4. Die Existenzformen der Sprache in der mhd. Zeit.

1. Die Mittelhochdeutsche Periode umfaßt den Zeitraum von 1050 bis um  1350.
Sie fällt mit der Epoche des  vollentwickelten  Feudalismus  in  Deutschland
zusammen. Diese Epoche ist  durch  einen  bedeutenden  wirtschaftlichen  und
kulturellen Aufschwung, durch die  Entwicklung  von  Geldwirtschaft,  Handel
und Gewerbe, durch das  Wachstum  der  Städte  gekennzeichnet.  Es  ist  die
Blütezeit des deutschen Rittertums, die Epoche  der  italienischen  Feldzüge
der deutschen Kaiser, die Epoche  der  Kreuzzüge  nach  Palästina,  und  die
Epoche der deutschen Expansion nach Osten.  Es  entwickelt  sich  in  dieser
Zeit eine neue weltliche ritterliche Kultur, die ihren Ausdruck auch in  der
reichen Entfaltung der ritterlichen Dichtung findet..
2. In der mhd Zeit ist eine reiche Literatur geschaffen  Die  Hauptgattungen
der mhd. Literatur sind : der Heldenepos, der Ritterroman, der  Minnesang  (
ritterliche Lyrik ) und der Spielmansepos.
  Die Heldenepen stammen aus dem bairisch-österreichischen  Sprachraum.  Sie
knüpfen an die altgermanischen mytischen und  historischen  Sagen  an.  Ihre
Verfasser sind unbekannt. Das sind 1) das  "  Nibelungenlied  ",  eines  der
hervorragendsten  mittelalterlichen deutschen Epen, das  die  altgermanische
mythische Sage von Siegfried und die  historische  Sage  vom  Untergang  des
Burgundenreiches vereinigt, 2) " Gudrun " ( nach der Hauptheldin benannt  ),
ein Epos aus dem Kreis der Wikingersagen, 3)  die  Epen  über  Dietrich  von
Bern ( dem ostgotischen König Theodorich ) aus dem gotischen Sagenkreis.
  Die deutsche Ritterromane sind Nachdichtungen französischer  Ritterromane.
Besonders bekannt sind darunter  a)  "  Erek  ",  und  "  Iwein  "  und  die
Verslegende " Der arme Heinrich " des schwäbischen Ritters Hartmann von  Aue
( um 1165-1210), b) der Roman "  Tristan  und  Isolde  "  )  des  Verfassers
Gottfried von Straßburg ( gestorben. um 1210 ); c) der  Versroman  "Parzifal
" des Ritters Wolfram von Eschenbach aus Nordbayern ( um 1170-1220 ).
  Die ritterliche Lyrik  ist  auch  im  Süden  reich  vertreten.  Außer  den
Liebesliedern Hartmanns von Aue und Wolframs von Eschenbach  sind  noch  die
Werke Rheinmarders Alten und Rheinmars von Hagenau  zu  nennen.  Der  größte
Lyriker jener Zeit aber war Walter von der Vogelweide ( um 1160-1227  ).  In
seinen lyrischen Gedichten verherrlicht er  die  Schönheit  der  Natur,  die
Liebe. ( daher der Minnessänger, die Liebe -
die Minne ). Die Spielmannsepen  " König Rother " und "Herzog Ernst  "setzen
die Traditionen der  alten  epischen  Volksdichtung  fort.  Sie  wurden  von
fahrenden Spielleuten vorgetragen. Die ritterliche  Dichtung,  die  im  XII-
XIII Jh. aufblühte, starb bis zum XIV Jh. fast gänzlich aus. An ihre  Stelle
tritt allmählich die städtische oder bürgerliche  Literatur,  die  wachsende
Aktivität des werdenden Bürgertums verkündet. Die bürgerliche Literatur  des
XIII Jh. ist  durch  folgende  Gattungen  vertreten  :  a)  Schwänke.,  d.h.
komische Kurzgeschichten, z.B.  "  Pfaffe  Amis  "  des  fahrenden  Dichters
Stricker - eine Sammlung von Schwänken über den lustigen  Pfaffen  Amis;  b)
didaktische Dichtung - gereimte Sprüche mit  belehrendem  Inhalt,  z.B.  das
Lehrgedicht
                                   - 10 -


des fahrenden Dichters Freidank " Bescheidenheit ";  c)  Versnovellen,  z.B.
die  Verserzähliung  "  Meier  Helmbrecht  "des  österreichischen   Dichters
Wernere der Gärtner ( um 1275 ).
3. Die mitteldeutschen Territorialdialekte.
  Im XII  und  XIII  Jh.  hat  sich  der  deutsche  Sprachraum  infolge  der
Expansion nach Osten und der Eroberung  slawischer  und  baltischer  Gebiete
stark erweitert.
  Die westslawischen Gebiete zwischen Oder, Havel, Spree,  Elbe,  Saale  und
dem Erzgebirge wurden erobert  und  kolonisiert,  d.h.  in  diesen  Gebieten
wurden  Marken und Herzogtümer gegründet, z. B. die Mark Lausitz,  die  Mark
Meißen ( späteres Obersachsen  )  -  noch  im  X  Jh.,  im  XII  Jh.  :  die
Markgrafschaft Brandenburg ( 1150 ), das Herzogtum  Mecklenburg  (  1170  ),
das  Herzogtum  Pommern  (  1180  ).  Viele   slawische   Ortsnamen   wurden
eingedeutscht : z. B. Brandenburg ( Áðàííûé  áîð  ),  Leipzig  (  Ëèïåöê  ),
Lübeck ( Ëþáå÷ ) , Dazig ( Ãäàíüñê ),  Breslau  (  Âðîöëàâ  )  ,  Pommern  (
Ïîìîðüå ) , die Havel ( Ãàâåëà ) , Dresden ( äðåçäàíå  -  ëþäè  áîëîò)  u.a.
Die slawische Bevölkerung wurde massenweise vernichtet,  die  Überbleibenden
wurden unterjocht und eingedeutscht. Auf slawischem Boden entstanden  reiche
Klöster Grundbesitze geistlicher und weltlicher Feudalherren.  Aus  Sachsen,
Hessen, aus den Niederlanden und aus Burgunden strömten  deutsche  Ansiedler
herbei, angelockt vom fruchtbaren  Boden  und  von  Privilegien.  Das  hatte
seine Folgen in der Entstehung von Kolonialdialekten in  den  besetzten  und
kolonisierten östlichen Gebieten. Hier entwickelten sich neue  Dialekte  der
deutschen Sprache, die sich von  den  altererbten  Dialekten  unterscheiden.
Die Eigenart der neuen Dialekte ist dadurch bedingt, daß die  Ansiedler  aus
verschiedenen Gegenden des Landes kamen, das  führte  zur  Intergration  der
Dialekte  (  d.h.  Mischung  und  Verschmelzung  der  Dialekte  ).  Auf  dem
neugewonnenen    Territorium    entwickelten    sich      neue     Dialekte:
Ostniederdeutsch und Ostmitteldeutsch.
  Man gliedert die mhd.  Territorialdialekte  (  für  das  XIII  -  XIV  Jh.
folgenderweise : )
      I. Niederdeutsche Dialekte:
    1. Niederfränkisch
    2. Niedersächsisch
    3. Ostniederdeutsch (  Meklenburgisch,  Brandenburgisch  (  Märkisch  ),
Pommersch,
                                      Preußisch )
 II. Mitteldeutsche Dialekte :
     1. Rheinfränkisch
     2. Mittelfränkisch : Moselfränkisch, Ripuarisch
     3. Hessisch
      4.  Ostmitteldeutsch  :  Meißnisch  oder  Obersächsisch,  Thüringisch,
Schlesisch.
 III. Oberdeutsche Dialekte :
     1. Schwäbisch - Alemannisch
     2. Bairisch - Österreichisch
     3. Südfränkisch
     4. Ostfränkisch

Für die Entwicklung der mhd. Dialekte sind zwei  Tendenzen  charakteristisch
: 1. die Tendenz zur Integration ( besonders im östlichen Sprachraum  ),  2.
die Tendenz zur Differenzierung ( besonders im westlichen Sprachraum ).  Die
Differenzierung  führte  zur  Vertiefung  zwischen  den   Dialekten.   Beide
Tendenzen sind aufs engste mit den
                                   - 11 -


Besonderheiten  der  gesellschaftlichen   Entwicklung   des   hoch   -   und
spätmittelalterlichen  Deutschland  verbunden.  Obwohl  in  Deutschland   in
dieser Zeit eine rasche  Entwicklung  der  Produktivkräfte  vor  sich  ging,
zahlreiche Städte entstanden, Handel und  Gewerbe  aufblühten,  blieb  es  (
Deutschland )  doch wirtschaftlich und politisch  zersplittert  (  über  300
Herzogtümer, Grafschaften u.a.m. ) und uneinig.
4. Die Existenzformen der Spache in der mhd. Zeit.
  Die vorherrschende Existenzform der deutschen Sprache blieben auch in  der
mhd. Zeit die Territorialdialekte.
  Das Kennzeichen der mittelhochdeutschen Sprachperiode ist aber,  daß  sich
neben den Territorialdialekten neue Existenzformen der deutschen Sprache  zu
entwickeln beginnen. Einen bedeutenden Anstoß dazu gibt  das  Aufblühen  der
weltlichen Dichtung und die Entwicklung verschiedener Gattungen der Prosa.
  Die Dichter der mhd. Zeit sind bestrebt, die  auffälligsten  Dialektismen,
die komisch wirken,  zu  vermeiden,  aber  ihre  Sprache  weist  noch  einen
großen Einfluß der heimatlichen Mundart des Verfassers auf.
  Um die Mitte dieser Sprachperiode kommt auch ein erster  Ansatz  zu  einer
gemeindeutschen Literatursprache  auf.  Es  ist  das  sogenannte  klassische
Mitteldeutsche, das sich Ende des XII Jh. in Verbindung  mit  der  höfischen
Literatur Süd-und  Mitteldeutschlands  herausbildet  und  bis  ins  XIV  Jh.
hinein fortlebt.



Thema VI
                      Frühneuhochdeutsch ( 1350 - 1650 )
Plan
1. Die zeitlichen Grenzen der fnhd. Periode.
2. Sprachliche Einigungstendenzen in der fnhd. Zeit
3. Die Verbreitung der Sprache Luthers in der fnhd. Zeit.

1. Die fnhd. Sprachperiode ist Übergangszeit vom  mittelalterlichen  Deutsch
zum eigentlichen neuzeutlichen Deutsch. Sie dauerte von etwa 1350 bis  1650.
Im  Laufe  dieser  Periode  wurden  die  ersten  Voraussetzungen   für   die
Entwicklung der gemeindeutschen nationalen Literatursprache geschaffen.
   In  der  fnhd.  Zeit  entwickelte  sich  eine   reiche   Literatur.   Die
Herausbildung der regionalen ( landschaftlichen ) Literatursprachen ist  das
Hauptkennzeichen der fnhd. Sprachperiode.
2. Sprachliche Einigungstendenzen in der fnhd. Zeit.
  Bereits in der fnhd Zeit wirkten sprachliche Einigungstendenzen, die  über
den Rahmen einzelner sprachlicher Landschaften  hinausreichten.  Eine  davon
ist  die  Tendenz  zur  sog."  Verhochdeutschung  "  aller   Gattungen   des
Schrifttums in Mittel - und Norddeutschland.
 Im XIV -XV Jh. äußerte sich die andauernde Tendenz zur "  Verhochdeutschung
"  vornehmlich  in  der  Verschmelzung  mitteldeutscher   und   süddeutscher
Elemente in  der  ostmitteldeutschen  Literatursprache,  was  sie  zu  einer
Ausgleichsprache gestaltete.
  Die Einigungstendenzen kommen in der fnhd. Zeit auch darin  zum  Ausdruck,
daß sowohl das Gemeine Deutsch als auch das Ostmitteldeutsche sich über  die
ursprünglichen Grenzen hinaus verbreiteten.  Das  Gemeine  Deutsch  ist  die
südöstliche landschaftliche Variante der Literatursprache.

                                   - 12 -


   Das   Ostmitteldeutsche   ist   eine   ostmitteldeutsche   Variante   der
Literatursprache, die
sich seit um XVII Jh. im meißnisch-obersächsischen Gebiet  entwickelte.  Das
Ostmitteldeutsche gewann bereits in der fnhd. Zeit den  niederdeutschen  und
einen Teil des westmitteldeutschen Sprachraums.
  Im XVI Jh. nehmen die sprachlichen Einigungstendenzen den Charakter  eines
bewuÿten Ringens um eine gemeindeutsche  Sprache  an.  Die  Entwicklung  des
Nationalbewußtseins,   der   Drang   nach   politischer    Einigung,    nach
Konsolidierung der Nation, der die frühkapitalistische Epoche  kennzeichnet,
ruft auch das Streben nach politischer Einigung  und  nach  bewußter  Pflege
der Muttersprache hervor, deren  Wert  und  Würde  nun  erkannt  und  eifrig
unterstützt werden. Dieses Streben kommt auch in den Schriften  und  in  der
gesamten Tätigkeit deutscher Humanisten zum Ausdruck.
  Das wachsende Bedürfnis nach einer Einheitssprache  ruft  in  dieser  Zeit
auch den
 Begriff " gemain teutsch " ins Leben. Ihn bringen in  der  II.  Hälfte  des
XV. Jh. besonders die größten süddeutschen   Buchdruckereien  von  Augsburg,
Nürnberg, Straßburg in  Umlauf.  Unter  diesem  Begriff  verstehen  sie  die
oberdeutsche Variante der Literatursprache, die sie gebrauchen.
   Die  Erfindung  des  Buchdruckes  und  die  schnellen  Fortschritte   des
Buchdruckwesens und des Buchhandels fördern den sprachlichen Ausgleich.  Die
Buchdrucker streben die Vereinheitlichung der  Sprache  und  die  Schreibung
an.
  Einen starken Anstoß zur  beginnenden  Herausbildung  der  gemeindeutschen
Literatursprache gaben die Reformation und der Bauernkrieg in Deutschland  (
1517-1525, 1524-1525 ). Der Kampf gegen die Großfeudalen und die  päpstliche
Kirche  erfaßte  alle   Klassen   der   Gesellschaft.   Breite   Volksmassen
beteiligten  sich  aktiv  am  ideoligischen  Streit  um  religiös-politische
Probleme. Im Zusammenhang damit wurde die  deutsche  Sprache  zum  erstenmal
zur Sprache der Propaganda unter den breiten  Volksmassen.  Das  ganze  Land
wurde von religiös-politischen Pamphleten, Agitationsschriften,  satirischen
Schriften, Aufrufen, politischen und agitorischen  Flugschriften  in  Prosa,
Versen und in Form von Dialogen überflutet.



                                   - 13 -


Thema VIII
Das phonologische System der deutschen Sprache aus diachronischer Sicht.
Plan
I. Konsonantismus
1. Die II. oder althochdeutsche Lautverschiebung
2. Die Entwicklung der Phoneme [ ], [ z], [v ].
II. Vokalismus
1. Drei Arten des Vokalwandels ( der Ablaut, die Brechung, der Umlaut )
2. Die Abschwächung der unbetonten Vokale .
3. Die Diphtongierung und die Monophthongierung.
4. Die Dehnung und die Kürzung der Vokale.

I. Von den wichtigsten Wandlungen im  phonologischen  System  der  deutschen
Sprache in der historischen oder literarischen Zeit  (  vom  VIII  -XX  Jh.)
sind folgende zu nennen : die II. oder ahd.  Lautverschiebung,  der  Umlaut,
die  Abschwächung   der   unbetonten   Vokale,   die   Diphtongierung,   die
Monophthongierung und die Dehnung und die Kürzung der Vokale.
  Die II. oder althochdeutsche Lautverschiebung betrifft  zwei  Gruppen  von
Konsonanten : die germanischen p,t,k und die germanischen b,d,g
     Die    Umwandlung    im     Konsonantensystem     der     hochdeutschen
Territorialdialekten begann im V/VI Jh.u.Z. im Bairischen  und  Alemanischen
und erfaßte in der Folgezeit, zwischen 800 und 1200,  auch  das  Fränkische.
In ihrer Ausbreitung nordwärts  verlor  sie  allmählich  an  Intensität  und
machte schließlich vor der  Grenze  des  Niederdeutschen  halt.  Durch  ihre
Abstufungen schuf sie sehr bedeutende lautliche  Unterschiede  zwischen  den
einzelnen   ahd   Dialekten,   die   auch   heute   zu   den    wesentlichen
differenzierenden  Merkmalen  einzelner   hochdeutscher  Mundarten   zählen.
Zugleich stellte die II.ahd Lautverschiebung  alle  hochdeutschen  Mundarten
dem Niederdeutschen  entgegen.  Die  II.  Lautverschiebung  prägt  auch  das
Konsonantensystem der deutschen Literatursprache.
  Die germanischen stimmlosen Explosivlaute p,t,k wurden im  Ahd.  teilweise
oder vollständig spirantisiert, d.h. in Frikativlaute  (  Spiranten  )  oder
Affrikaten verschoben:
a) im In -und Auslaut des Wortes nach einem Vokal  wurden  die  germanischen
p,t,k zu ff,33,hh verschoben:
as. opan ahd. offan, as.etan -ahd. e33an,as. ik -ahd.ih
b) im Anlaut, inlautend und auslautend  nach  einem  Konsonanten  sowie  bei
Konsonantendehnung wurden die germ. p,t,k zu den Affrikaten pf, z, kch  (ch)
verschoben:
as. tunga -ahd. zunga, as. pund- ahd. pfunt, as. appul -ahd apful, as.  korn
-ahd(bair.) kchorn.
 Die Verschiebung von k>  k(ch)  ist  nur  im  Bairischen  und  Alemanischen
anzutreffen. Im Fränkischen bleibt k enthalten.
  Die  germanischen  Explosivlaute  b,d,g,  die  sich  aus  b,,g  entwickelt
hatten, wurden im Ahd zu p,t,k verschoben:
as. drinkan -ahd. trinkan; as. burg ahd. bair. purc,  as.  geban  -ahd.bair.
kepan.
  Die Verschiebung von b,g zu p,k war nur  dem  Bairischen  eigen.  Nur  die
Verschiebung von d zu t hat einen Teil des Fränkischen erfaßt.
  Die Grenze zwischen dem Hochdeutschen und dem Niederdeutschen, wo die  II.
Lautverschiebung haltgemacht hat, nennt man die Benrater Linie  (  nach  dem
Schloß
                                   - 14 -


Benrat bei Düsseldorf ). Diese Linie verläuft  über  drei  große  Städte  an
drei großen Flüsse: Düsseldorf am Main, Magdeburg an der Elbe und  Frankfurt
an der Oder.
  Im VIII Jh.  begann  in  den  oberdeutschen  Dialekten  der  Übergang  des
germanischen   stimmlosen   interdentalen   Frikativlautes   Þ   über    die
Zwischenstufe ð zu d ;Þ.>ð.> d :
got. Þreis, as. thria, ae. Þrie - ahd. thrie, drie, dri "drei ".
got. Þata, as. that, ae. Þæt - ahd. tha3, dha3, da3 "das".
  Im Fränkischen vollzieht sich der Übergang Þ > d im IX-XII Jh. Im  XII-XIV
Jh. erfaßt er auch die niederdeutschen Dialekte. Deshalb wird  der  Übergang
Þ > d in die II. Lautverschiebung nicht eingeschlossen.
   Das Althochdeutsche besaß  kein  [  ].  Die  Entwicklung  dieses  Phonems
beginnt im XI  Jh.  aus  der  Konsonantenverbindung  sk.  Seit  dieser  Zeit
erscheint die Schreibung sch, die im XII Jh. allgemeine Verbindung  bekommt.
:
ahd. skînan > mhd. schînan "scheinen ".
ahd. skôni > mhd. schæne "schön ".
   Man nimmt an, daß der Laut k zuerst an das  varausgehende  s  assimiliert
wurde und später mit ihm verschmolz: sk > sch > [ ] .
   Seit dem XIII. Jh. wird [s ] zu [ ] im Wortanlaut vor  l,m,n,w  und  nach
r. Für die Bezeichnung des [ ] wurde die bereits vorhandene  Schreibung  sch
benutzt :
ahd. slafan, mhd. slâfen > nhd. schlafen
       smerza         smerze         Schmerz
       sneo             sne              Schnee
       swarz          swarz           schwarz
       kirsa            kirse            Kirsche
   Etwas später entwickelt sich das [ ] auch  vor  p,t,  obwohl  es  in  der
Schreibung unbezeichnet blieb :
ahd. spati, mhd. spæte > spät [ ]
       starc           starc      stark
  Um die Mitte des XIII Jh. wird s im Wortanlaut und im Inlaut  vor  Vokalen
stimmhaft : [ s] > [z], ohne daß diese Wandlung besonderen Ausdruck  in  der
Schreibung findet :
ahd. [ s] sin,  mhd. sin > nhd. sein [ z]
             lesan        lesen         lesen [z]
   Im Althochdeutschen und zu  Beginn  des  Mittelhochdeutschen  war  w  ein
bilabialer Halbvokal, was die Formen ahd. seo " See" Gen.  sêwes,  mhd.  se,
G. sewes bezeugen (der Halbvokal w wurde im  Wortauslaut  vokalisiert  ),  (
auch heute Virchow, Pankow ).
Im XIII Jh. entwickelt er sich zum labiodentalen stimmhaften Geräuschlaut.

II. Vokalismus
1. Von drei Arten des Vokalwandels der deutschen Gegenwartssprache  ist  der
Ablaut die älteste.
Der  Ablaut  ist  ein  spontaner  Vokalwandel.  Er  ist  allen  germanischen
Sprachen eigen und hat seinen Ursprung im Indoeuropäischen,(  Im  Russischen
-íåñòè- í¸ñ,  âåçòè  -â¸ç-âîç,  íîøà  ).  Der  Ablaut  ist  der  Wandel  des
Stammvokals bei der Bildung der Grundformen der starken Verben :
I. ahd. scriban - screib - scribum - giscriban
II.       biogan - baug - bugum - gibogan
III.      werdan - ward - wurtum - wortan
   Der Ablaut ist auch ein  Wortbildungsmittel, z.B.
ahd. hano " ïåòóõ "- " huon " " Huhn  ",  auch  im  Suffix  :  Nibelungen  -
Karolingen.
                                   - 15 -


  Ein anderer Vokalwechsel ist die Brechung. Das ist  ein  assimilatorischer
Vokalwandel, auch Vokalharmonie genannt. Die Brechung ist  die  Hebung  bzw.
Senkung  der  Stammsilbenvokale   unter   dem   Einfluß   der   Vokale   der
nachfolgenden Silben, also  eine  regressive  Assimilation.  Sie  war  allen
altgermanischen Sprachen eigen.
   Die Hebung des e  zu i geschah durch  Einwirkung  der  Vokale  der  hohen
Zungenlage i oder j der folgenden Silbe und vor n + Konsonant :
lat.: ventus - ae.,as. wind, ahd. wint " Wind "
ahd. erda - irdisk  " irdisch ".
Die Senkung des Phonems i zu e geschah vor dem Vokal der  tiefen  Zungenlage
a :
lat. piper - ahd. pfeffer
lat. sinapis - as. senep " Senf ":
Unter ähnlichen Positionsbedingungen vollzog sich der Wechsel von a und u :
ahd. helfan - half - hulfum - giholfan
       beogan - biugu
  In der deutschen Gegenwartssprache lebt die Vokalharmonie im  Wechsel  der
Vokale e/i fort : ich gebe - du gibst < gibis - gibt < gibit
            Erde - irdisch, Berg - gebirgig, " Gebirge "
   Die Brechung enstand vermutlich im I. Jh. u.  Z.  und  war  in  der  ahd.
Periode schon eine historische Erscheinung, d.h. sie  trat  nicht  in  allen
Fällen ein :
geholfan, geworfan aber gibuntan, funtan ( gefunden )
  Ein so zusagen lebendiger Vokalwechsel war im Ahd.  der  Umlaut.  Das  ist
wie auch  die  Brechung ein assimilatorischer  Vokalwandel,  noch  eine  Art
der Vokalharmonie.
   Der Umlaut hatte für die deutsche Sprache eine  besondere  Bedeutung.  Im
Ahd entwickelte sich der Umlaut nur von dem kurzen a, das unter dem  Einfluß
des i oder j der folgenden  Silbe zu e wurde :
ahd. gast - gesti, kraft - krefti, alt - eltiro, faru - feris - ferit.
   Der Umlaut erscheint im VIII Jh. in den nordfränkischen  Dialekten,  dann
verbreitete er sich südwärts. Aber es gab im Ahd. viele Hinderungen für  die
Entwicklung des Umlauts a > e : a wurde nicht umgelautet vor ht, hs,rw.
ahd. maht - mahtig, garwan - garwit ( gärbt ) wahsan - wahsit.
Die Umlauthinderungen wurden zu Beginn der mhd. Periode  beseitigt,  so  daß
seit dem XII Jh. auch hier der Umlaut eintrat. Er wurde als ä  bezeichnet  (
der sogenannte Sekundärumlaut ) : mähtig, wähset, gärwat u.a.
  Gegen Ende der ahd. Periode entwickelte sich auch der Umlaut des langen  u
: hus - hiusir, mus - muisi.
  In der mhd. Zeit wurden auch die übrigen Vokale umgelautet : das  lange  a
zu æ, das kurze o zu ö, das lange o zu oe, das kurze u zu ü :
ahd. spati - mhd. spæte - nhd. spät
        mahti          möchte         möchte
        skoni          schoene        schön
        wurfil         würfel           Würfel
So  wurden  die  umgelauteten  Vokale  aus  den  Varianten  der  Phoneme  zu
selbständigen  Phonemen  (  d.h.  sie  übernahmen  eine  sinnunterscheidende
Funktion ) wurden phonologisiert. Der Umlaut ist  der  Übergang  der  Vokale
der vorderen Reihe e, ö, ü unter der Einwirkung von  i  /  j  der  folgenden
Silbe. Deshalb nennt man ihn noch i- Umlaut.
2. In der mhd. Zeit vollzieht sich die Abschwächung der  unbetonten  Vokale.
Die langen
                                   - 16 -


und kurzen Vokalphoneme a, o, u, e, i der unbetonten Silben sind zu  e  [  ]
abgeschwächt oder gänzlich geschwunden.
a) Abschwächung der Vokale :
ahd. taga - mhd. tage, gesti - geste, namum - namen
b) Schwund der Vokale am Wortende (  Apokope  )  oder  in  der  Wortmitte  (
Synkope ) :
ahd. großiro - mhd. groe3er, herison - hersen.
3. Diphtongierung, Monophtogierung, Erweiterung der alten Diphtonge ei, ou.
   Einige Neuerungen im System vokalischer Phoneme waren  in  den  einzelnen
Territorialdialekten bereits in der mhd. Zeit entstanden, aber  sie  bekamen
erst in der fnhd Sprachperiode allgemeinere Ausbreitung  und  prägten  somit
das  fnhd.  phonologische  System.  In  der  Folgezeit  bestimmten  sie  den
Charakter des Nhd.
   Im XII. Jh. beginnt im äußersten Südosten, in  Kärnten,  der  Wandel  der
langen Vokale der hohen Zungenlage i, u, iu [ y: ]  zu Diphtongen :
ï > ei [ae ] -          mhd. mín > fnhd. mein,  ís > eis,
                                       drí >            drei
û > au - ûf > auf,           hûs >           haus
                                       tûbe >       Taube,
                                       brûchen > brauchen
iu [y: ]> eu                    hiute > heute, liute > leute
                                       diutsch > deutsch.
   Im Laufe des XII -  XVI  Jh.  dehnt  sich  die  Diphtongierung  über  den
gesamten  hochdeutschen  Sprachraum  aus  und  wird  zum   Kennzeichen   der
hochdeutschen Dialekte. Den alten Vokalstand bewahren  die  Schweiz  (  vgl.
die   Benennung   der   Schweizer   Landessprache    Schwyzer    tütsch    -
Schweizerdeutsch  ),  Elsaß  ,  der  niederdeutsche  Sprachraum  und  einige
angrenzenden Gegenden des Mitteldeutschen. Da die  Diphtongierung  auch  zum
Kennzeichen der werdenden gemeindeutschen Literatursprache wird,  nennt  man
sie " die neuhochdeutsche Diphtongierung " .
   Gleichzeitig mit  der  Entwicklung  neuer  Diphtonge  vollzieht  sich  im
Bairisch- Österreichischen auch die Erweiterung alter Diphtonge ei  >  [  ae
], ou> au, die mit den neuen Diphtongen zusammenfallen :
 mhd. ein > fhnd. ein [ aen], teil > [ tail ]
vgl. mín - mein  , drí - drei.
  Gleichzeitig mit der Entwicklung der Diphtongierung entwickelt sich im XI-
XII  Jh.  in  den  mitteldeutschen  Mundarten  (   ein   entgegengerichteter
Lautwandel ) die Monophtongierung der Diphtonge ie, uo, üe :
ie > ie [ i: ] - mhd. hier > fnhd. hier [ i: ]
                           fliegen        fliegen
uo > u                  guot           gut
                           buoch         buch
üe > ü                  güete          güte " Güte "
                           süe3e          süß
  Die Diphtongierung ergreift nur einen  Dialekt  des  Oberdeutschen  -  das
Südfränkische.  Alle  anderen  oberdeutschen  Dialekte  bewahren  die  alten
Diphtonge mit der Tendenz zur Entlabialisierung  :  z.B.  schen  für  schön,
glik für Glück.
  Die Diphtongierung, die Erweiterung der alten Diphtonge  ei,  ou  und  die
Monophtongierung   hatten   eine   große   Bedeutung   für   die    werdende
gemeindeutsche Sprache. Sie prägen das phonologische  System  der  deutschen
Literatursprache.  Sie  prägen  das  phonologische  System   der   deutschen
Literatursprache der Gegenwart.
                                   - 17 -


4.    Positionsbedingte Dehnung und Kürzung der Vokale (  100 ).
Im XII -XVI Jh. ändert sich die Vokaldauer in vielen Wörtern.
Der Vokal wird auch gedehnt :
ahd. neman, mhd. nemen > nehmen.
      faren            faren      fahren
      namo           name      Name
Der Vokal wird auch gedehnt, wenn die Silbe geöffnet werden kann :
ahd. tag, mhd. tac - nhd. Tag - Tages - Tage
Lange  Vokale  werden  vor  Konsonantengruppen  gekürzt,   da   diese   eine
geschlossene Gruppe bilden :
ahd. brahta > mhd. brahte > nhd. brachte
       la33an           la33en           lassen.


THEMA  IX
  Das morphologische System der deutschen Sprache in sprachgeschichtlicher
                  Beleuchtung  (aus diachronischer Sicht )
I. Das Verb
1. Die grammatischen Kategorien des Verbs
2. Die morphologische Klassifikation der Verben.
3. Die thematischen und athematischen Verben.
1. Im Ahd. hatte das Verb die grammatischen Kategorien der Zeit,  der  Zahl,
dr Person, die Kategorie des Modus  (  Indikativ,  Konjuktiv,  Imperativ  ).
Aber die Kathegorie des Genus ( Aktiv - Passiv ) war noch nicht  entwicklet.
Es fehlte das Passiv.
  Die Kategorie der Zeit hatte nur zwei Formen für  drei  Zeitstufen  :  das
Präsens, diente  zum  Ausdruck  der  Gegenwart  und  der  Zukunft,  und  das
Imperfekt  (  Präteritum  )  zum  wurde  zum  Ausdruck   der   Vergangenheit
gebraucht.  Die  analytischen   Zeitformen   Perfekt   und   Plusquamperfekt
entwickelten sich im Ahd. und Mhd. aus biverbalen Wortgruppen  wie  haben  +
P.II , werden + P.II und sein + PII, in denen  das  II.  noch  deklinierbare
Form haben , z.B. Argangana uuârun ahtu daga.( Es waren acht Tage  vergangen
).
Die Kategorie dr Zahl war wie auch  heute  durch  den  Singular  und  Plural
vertreten.
Die Katgorie der Person besaß dieselben Formen wie heute :
die erste, zweite und dritte P. im Sg. und Pl.
2. Die morphologische Klassifikation der Verben im Ahd.  unterscheidet  sich
von der in der deutschen Gegenwart., Wie auch heute gliedert  man  die  ahd.
Verben in starke schwache und unregelmäßige nach der  Art  der  Bildung  des
Präteritums.  Aber  im  Ahd.  unterscheidet   man   noch   thematische   und
athematische Verben nach der Bildung des Präsens.
 Starke Verben. Der  Terminus  "starke  "und  "  schwache  "  Verben  gehört
J.Grimm. Unter starken Verben verstand er jene Schicht der  uralten  Verben,
die noch auf das Altgermanische zurückkommen, und  die  das  Präteritum  mit
Hilfe des Ablauts bilden:
helfan - half - hulfum - giholfan .( Inf. - Präs. Sg. - Präs. Pl. - P.II. )
Man teilt starke Verben in 7. Ablautreihen. Zu den schwachen  Verben  zählte
J. Grimm die spätergebildeten Verben, die ihre  Präteritumformen  mit  Hilfe
des Dentalsuffixes bilden : dionôn -dionôta.
Thematische Verben bilden das Präsens mit dem Suffix - i im Sg. und - a-  im
Pl.:
geban - gibu - gibit- \\ gebamês - gebe - gebant.
Dieses Suffix wird der Themavokal genannt, und die Verben mit diesem  Suffix
- die
                                   - 18 -


thematischen Verben.
Die thematischen Verben sind : alle starken Verben und die schwachen  Verben
der 1. Klasse.
 Man unterscheidet im Ahd. drei Klassen der schwachen Verben  -  nach  ihrem
stammbildenden Suffix :
I. Klasse - jan - teilen, zellen = thematischen Verben
II.Klasse - ô- diônon, salbôn = athematische Verben
III. Klasse - ê - habên, folgên = athematische Verben
Die thematische Konjugation :
Präsens i / a
Sg. 1. faru   Pl. farames      gibu      gebamês
     2.  feris(t)   faret           gibis(t)  geb-e-t
     3. ferit        farant          gibit     geb-ant
Die athematischen  Verben  behalten  ihr  stammbildendes  Suffix  ô,  ê  und
erhalten deshalb kein formenbildendes Suffix - den Themavokal.
Präsens                               Präteritum
1. dionom  habem                bant -  buntum
2. dionost  habes(t)              bunti - buntut
3. dionot    habet                  bant -  buntun
Nach dieser Endung werden  sie  mi- Verben genannt. Im Mhd. ist  die  Endung
- m außer  Gebrauch  gekommen.  Nach  der  Abschwächung  der  stammbildenden
Suffixe  der  schwachen  Verben  der  II.  und  III.  Klasse  o,  e   zu   e
unterscheiden sich nicht mehr von dem Suffix  der  I.  Klasse.  Und  seitdem
bilden die schwachen Verben eine einheitliche Klasse.
  Infolge der Abschwächung des Themavokals i/a zu e im Mhd.  infolge  seines
Schwunds in  späterer  Zeit  ist  der  Ausgleich  der  Personalendungen  der
thematischen und  athematischen  Konjugation  vor  sich  gegangen.  Nur  der
Umlaut und die Brechung des Stammvokals in der 2., 3.  P.  Sg.  der  starken
Verken erinnert  uns heutzutage an die alte thematische Konjugation.
 Und die alte Endung - m, zu - n assimiliert, bewahrt nur die  Verbform  bin
( < bim ).
Zu den athematischen Verben zählt man außer den schachen Verben der II.  und
II.Klassen auch die unregelmäßigen Verben und die Präteritopräsentia.
Die Präteritopräsentia werden so bezeichnet, weil  ihre  Präsensformen  alle
Merkmale des starken Präterits haben, und zwar : den Ablaut des  Stammvokals
im Sg. und im Pl. und die Nullendungen in der 1.,3. P. Sg.
wi33an   Präsens                              Präterit   stígan ( I. Ablr.)
1.P. Sg. wei3 -                                  steig -
1.P.Pl.   wi33um                               stigum
Eigentlich   sind   ihre   Präsensformen   die    ehemaligen    umgedeuteten
Präteritumformen, die früher nicht nur Vergangenheit  bezeichneten,  sonsern
auch das Resultat der Handlung in der Gegenwart und  später  die  Gegenwart.
Die  alten  Präsensformen  sind  nicht   überliefert   worden,   die   neuen
Präteritalformen  wurden mit dem Ablaut und  dem  Dentalsuffix  -  t  -  der
schwachen Verben gebildet:
ahd. scal - sculum - scolta .
Präteritopräsentia im Ahd. : wi33an,  durfan  (  bedürfen  ),  (  k  )unnan,
scolan, magan ( vermögen - können ), mugan , toug ( es nützt ), gitar  (  er
wagt ), ginah ( es genügt ),
muo33un, eigun ( er besitzt ), an.( er gönnt ).
Die deutsche Gegenwartssprache besitzt 7 Präteritopräsentia  :  wissen  +  6
Modalverben :
                                    - 19 -


müssen, sollen, können, dürfen, wollen,  mögen.  Sie  haben  auch  heute  im
Präsens die Merkmale des starken Präterits : den Ablaut des Stammvokals  und
die Nullendung in der 1., 3.Pl. Sg.
Zu den unregelmäßigen Verben gehören im Ahd.  folgende  Verben  :  1.  tuon,
gên, stên; 2. sín; 3. wellen ( wollen )
Die Präsensformen dieser Verben sind unregelmäßig, da sie  im  Gegensatz  zu
den  regelmäßigen  Verben  des  Ahd.  keinen  Themavokal  haben,   und   die
Personalendungen werden  unmittelbar  an  das  Wurzelmorphem  angefügt.  Aus
diesem Grunde nennt man sie athematische Verben. Außerdem haben sie  in  der
1.P. Sg. Präsens eine archaische gemeinindoeuropäische Personalendung  -m  (
ai. -mi, griech. - mi, altruss.åñìü ,lat. sum.)
Präsens Singular.
1. tuo -m   stê-m( ste-n )   sta-m  gê-m (=)   gâ-m ( ga-n)
2. tuo-s(t)  ste-s(t)            sta-s (t)  ge-s(t)   ga-s(t)
3. tuo-t      ste- t               sta-t        ge-t       ga-t
Plural
1. tuo-mes       stê-mês      gê-mês   gâm-es
2. tuo-t            ste-t           ge-t        ga-t
3. tuo-ut          stê-n           gê-nt      gâ -nt
Das  Verb  tuon  besitzt  außerdem  eine  eigenartige  Präteritumform,  z.B.
1.P.Sg. teta, die durch Reduplikation gebildet ist.
Präteritum
Sg. 1. teta            tâtum ( un )  Pl.
     2. tâti             tâtut
     3. teta            tâtun
Das P. II. hat die starke Form gitan.
Die Verben gân,  gên,stân,  stên  sind  kurze  zusammengezogene  Formen  der
Verben  gangan  und  stantan  .  Im  Präteritum  und  im  P.II   haben   sie
vollständige Formen.
Prät. Sg. gieng   - Prät. Pl.  giengum   -  PII. gigangan
             stuont                 stuontum            gistantan
2. wesan, sín. In allen i / e Sprachen  hat  das  Verb  des  Seins  ein  aus
verschiedenen   Wurzelmorphemen   zusammengesetztes   Paradigma.   In    den
germanischen Sprachen beteiligen sich am  Paradigma  dieses  Verbs  folgende
Wurzelmorpheme :
a) das i / e Wurzelmorphem es - und seine Nullstufe s -  ( vgl.  lat.  esse,
altruss. åñìü, åñè,åñòü,ñóòü ).
Präsens
Indikativ
Konjuktiv
Sg. 1. bim (-n )      Pl. 1. burum (-n)           Sg.  sí    Pl. sím (-n)
      2. bist                   2.  birut       n                     sís(t)
sít
      3.  ist                      3.  sint                               sí
     sín
c) In allen Formen außer dem Präsens wird das starke Verb ahd. wesan,  sein,
existieren ( V. Ablautreihe ) gebraucht :
 Prät. 1.,3. P.  Sg.  was  -  1.P.Pl.  warum  (  mit  später  Aufhebung  des
Konsonantenwechsel s  -  r  );  Inf.  wesan,  später  durch  sín  verdrängt;
Imperativ 2.P.Sg. wis, 2. P.Pl. weset (auch  sít  );  P.I.  wesanti,  später
seiend ( vgl. heute anwesend, abwesend ). Das P.II  fehlt  im  Ahd.  (  mhd.
gewesen, gesin, nhd. gewesen )
4. wellen ( nhd. wollen  )  Auch  hier  ist  das  Präsens  eine  umgedeutete
Präteritalform, und zwar Prät. Konjuktiv ( vgl. nhd. ich möchte =  ich  will
)
                                   - 20 -


Präsens
Sg. 1. willu        Pl. wellemes       Inf. wellen
     2. wili               wellet            P. I wellenti
     3. wili               wellent          Prät. wolta ( welta )
Im Mhd und im Nhd. vollzieht sich   die  Angleichung  dieses  Verbs  an  die
Präteritoprasentia.
Alle unregelmäßigen Verben bewahren ihren  eigenartigen  Formenbestand  auch
in der deutschen Gegenwartssprache. Seit der mhd. Zeit schließen sich  ihnen
auch die Verben haben und werden und bringen an.
5. haben. Im Ahd. war es  ein  schwaches  Verb  der  III  Klasse,  also  ein
regelmäßiges Verb. Im Mhd.  entwickelten  sich  im  Präsens  und  Präteritum
kurze zusammengezogene Formen - haben > hân, habêst >  hast,  habêt  >  hat,
habêta > hatte.
Deshalb zählt man es zu den unregelmäßigen Verben.
6. werden . Im Ahd. war es ein starkes Verb  der  III.  Ablautreihe  :  ahd.
werden - ward - wurtum  - wortan ( d - t ).
Im Mhd. entstand infolge des Ausgleichs der  Präteritalformen  des  Sg.  und
des Pl. die Form wurde mit - e im Auslaut, was für  die  1.  ,3.  P.Sg.  des
starken Präterits nicht typisch ist. Außerdem  vollzog  sich  der  Ausgleich
der Präeritalformen der Verben dieser Ablautreihe nach  der  Singularform  (
vgl. ahd. helfan - half - hulfum > mhd. half; werfan - warf - wurfum >  mhd.
warf ) , nur das Verb weden erhielt die Form mit dem Pluralstamm : wurtum  -
wurde.
Auch im Präsens hat es seit der mhd. Zeit kurze  zusammengezogene  Formen  :
ahd. wirdes (t) - nhd. wird.
7. bringen. Dieses Verb wird zu  den  unregelmäßigen  Verben  gezählt,  weil
seine Präteritalformen mit dem Ablaut des Stammvokals wie  bei  den  starken
Verben und mit dem Dentalsuffix - t - wie bei den schwachen Verben  gebildet
sind : ahd. bringen - brachta - gebracht.
II. Das Substantiv.
1. Die Kategorien des Substantivs im Ahd., Mhd., Nhd.
2. Die Entwicklung des Deklinationssystems.
3. Der Artikel und die Kategorien der Bestimmtheit - der Unbestimmtheit.
1. Das Substantiv bewahrt im Ahd. die grammatischen Kategorien des  Genus  (
3 Geschlechten ), des Numerus ( Singular, Plural ) und des  Kasus,  die  das
Urgermanische besaß und es seinerseits aus dem  Indoeuropäischen  übernommen
hatte. Auch der Flexionstyp der Substantive blieb im wesentlichen  noch  der
alte.
2. Man bestimmt die Deklinationstypen  der  Substantive  im  Ahd.  nach  den
stammbildenden  Suffixen,  da  die  alten  Kasusendungen  in  vielen  Fällen
geschwunden sind :
I. Vokalische Stämme :
a - Deklination ( m. tag, kuning, n. wort, houbit u.a. )- N.A. - taga
ja - Deklination ( m. hirti, n. kunni " Geschlecht"...)
wa - Deklination ( m. snêo, n. kniu " Knie "... )
i - Deklination ( m. gast. scrit "Schrift ", f. kraft, fart... )
II. Konsonantische Stämme
n - Deklination ( m. namo, garto "Garten " , boto, herza, ouga ora " Ohr  ",
zunga, sunna, wituwa ...)
nt - Deklination ( m. friunt, fiant " Feind " )

                                     - 21 -


r - Deklination ( m. bruoder, fater, f. muoter , tohter ... )
ir - Deklination ( n. lamb - lembir , kalb, huon, blat ... )

  Im Ahd.  und  Mhd.  vollzieht  sich  der  Wandel  der  Deklinationsystems.
Entscheidend dafür  war  die  Abschwächung  der  unbetonten  Vokale  in  den
stammbildenden  Suffixen,  die  zu  Kasusendungen  wurden.  Unterschiedliche
Endungen a, o, i, u wurden zu - e abgeschwächt und im Mhd. verteilt man  die
Substantive in zwei Deklinationstypen - starke und  schwache  Deklination  -
nach dem grammatischen Geschlecht. Die vokalischen Stämme bilden die  starke
Deklination  mit  dem  Merkmal  -  der  Genitivendung  -  s  im   Sg.,   die
konsonantischen n- Stämme liegen zugrunde  der  schwachen  Deklination.  Die
übrigen konsonantischen Stämme schlossen sich der  starken  Deklination  an.
Im Fnhd. entwickelte sich die Deklination der Feminina  mit  der  Nullendung
im Sg.
  Infolge der Abschwächung der unbetonten Vokale reduzierte  sich  die  Zahl
der Kasusendungen von 43 auf 9 im Mhd. und auf 4 im Nhd.
3. Die Entwicklung des Artikels beginnt im Ahd. Zuerst entwickelt  sich  der
bestimmte Artikel ther, thiu, tha3 , dem ein  Demonstartivpronomen  zugrunde
liegt. Der bestimmte Artikel ist im Ahd. noch im Werden.  Er  wird  nur  mit
konkreten  Substantiven  gebraucht,  um  einen   einzelnen   Gegenstand   zu
bezeichnen : z. B. :
 Sliumo bringet tha3 erira giuuti. Bringt schneller das beste Gewand.
  Im Ahd. kommen bereits vereinzelte Formen des unbestimmten Artikels vor  :
"Einen kuning wue3 ich, hei3it her Hludwig.
  Doch der regelmäßige Gebrauch des unbestimmten  Artikels  entwickelt  sich
erst in der mhd. Zeit. Vgl. im " Nibelungenlied " :
  Es wuochs in Burggonden ein viel edel magadin ...
  sie wart ein schoene wip. ( Es wuchs in Burgund eine  edle  Jungfrau,  ...
sie wurde zu
  einer schönen Frau .)
   Auf diese Weise  entsteht  seit  Beginn  der  mhd.  Zeit  die  Opposition
zwischen dem Substantiv mit dem bestimmten Artikel und  dem  Substantiv  mit
dem unbestimmten Artikel, die die grammatische Kategorie der Bestimmtheit  /
Unbestimmtheit zu einer vollentwickelten Kategorie prägt.


 THEMA X .
          Die Syntax der deutschen Sprache aus diachronischer Sicht.
1. Der einfache Satz.
2. Der zusammengesetzte Satz.
3. Die Negation.
1. Schon im Ahd. war die vorherrschende Satzform der zweigliedrige Satz  mit
einer Subjekt - Prädikat - Struktur. z. B. : Sum  man  habeta  zuuene  suni.
Ein Mann hatte 2 Söhne.
  Wie in allen flektierenden Sprachen war die  Wortstellung  im  Satz  frei.
Das Prädikat konnte im Ahd. im Aussagesatz sowohl an der zweiten Stelle  als
auch am Satzanfang und im Satzschluß stehen :
   z. B. Araugta sich imo gotes engil."  (  Es  )  erschien  ihm  ein  Engel
Gottes. "
          Alla thesa naht arbeitende niuuih ni gifiengumes.
         " Die ganze Nacht haben wir gearbeitet und nichts gefangen ".
  Es lassen sich bereits im Ahd einige neue Tendenzen in der  Satzgestaltung
verfolgen,
                                   - 22 -


die in der Folgezeit die Eigenart des deutschen Satzbaus prägten.
 1) Die Tendenz zur Verbreitung  der  zweigliedrigen  Satzstruktur  auf  den
unpersönlichen und unbestimmten-persönlichen Satz ( mit den Pronomen es  und
man ).
 2)  Die Tendenz zur Entwicklung der Elemente  der  festen  Wortstellung  im
Satz , vor allem zur Bindung der Stelle des Prädikats  und  zur  Entwicklung
der Umklammerung.
Diese Erscheinungen bestimmten weitgehend die  Eigenart  der  Satzgestaltung
in der deutschen Gegenwartssprache.

2. Schon   die  ersten  ahd.  Sprachdekmäler  enthalten  verschiedene  Typen
komplexer (  zusammengesetzter  )  Sätze.  Aber  ihre  Zahl  ist  gering  im
Vergleich zu der deutschen Gegenwartssprache. Sie entwickelten sich  später,
in der Folgezeit.
  Die Satzverbindung hat im Ahd ebenso wie  in  der  Gegenwartssprache  zwei
Hauptmodelle : konjuktionslose und konjuktionale Satzverbindung :
1) Einan kuning wei3 ih, hei3t her Hludwig.
2) Thanan tho Zacharias uuard gitruobit tha3 sehenti,  inti  fortha  anafiel
ubar inan. " Zacharias war verwirrt, das sehend, und Furcht überfiel ihn ".
Die gebräuchlichsten Konjuktionen waren inti, ioh = " ich ", ouh = "auch  ",
doh = "doch " abur = "aber", odo = "oder". Aber  es gab noch keine  kausalen
und  finalen  Konjuktionalwörter   wie   denn,   folglich,   daher,   darum,
infolgedessen u.a.
Das Satzgefüge.
Das Ahd. besitzt Gliedsätze für alle Satzglieder,  d.h.  Subjekt,  -Objekt-,
Prädikativ-, Adverbial- und Attributsätze. Die Endstellung des Prädikats  im
Gliedsatz, was die Gegenwartssprache prägt, gilt  im  Ahd.  noch  nicht  als
Regel. Doch kam sie in den Gliedsätzen schon häufig vor :
   Thu weist,tha3 ih thih minnon.
   " Du weißt , daß ich dich liebe. "
Da die Endstellung des Prädikats  nur  in  Gliedsätzen  vorkommt,  wird  sie
allmählich zum Prägemittel des Gliedsatzes.
  Im Mhd. gab es wenige Neuerungen in der Entwicklung des Satzbaus. Nur  die
Anfansstellung des Prädikats im Aussagesatz war aus dem Gebrauch gekommen.
  Die  Herausbildung  verschiedener  literarischer   Gattungen   sowie   der
gelehrten  Prosa   und   der   Kanzlei   -   und   Geschäftsprosa   in   der
frühneuhochdeutschen  Zeit,  die  politische  und  religiöse  Literatur  der
Reformationszeit Luthers, die Bemühungen  der  Humanisten  um  die  deutsche
Sprache förderten die weitere Entwicklung  der  syntaktischen  Struktur  der
deutschen Sprache. Es  kamen  neue  Konjuktionen  auf,  es  entstanden  neue
Modelle komplexer Sätze .
   Bereits  im  XII-XIV  Jh.  wurde  die  Voranstellung   von   Adjektivien,
Partizipien und Pronomen in den attributiven Wortgruppen vorherrschend.
  Die Tendenz zur festen Stellung des  Prädikats  wurde  erst  im  Ahd.  zur
Regel. Auch die verbalen Klammer entwickelte sich bis in die nhd. Zeit.
     Über den Übergang von der doppelten Negation zur Gesamtnegation   siehe
bei       Moskalskaja        (         112.        Seite        228        )



                                   - 23 -



Thema XI
                        Der Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache in
                                        sprachgeschichtlicher Beleuchtung.
  Die  althochdeutschen  Sprachdenkmäler  zeugen  davon,  daß  die  deutsche
Sprache schon in jener Zeit einen  reichen  Wortschatz  besaß  .  Neben  den
Wörtern aus dem Bereich des  alltäglichen  Verkehrs  besaß  das  Ahd.  einen
reichen Schatz von Wörtern aus dem Bereich des Geisteslebens, der  Dichtung,
der Viehzucht und des Ackerbaus, des Bau-, Rechts  -  und  Heereswesens.  In
den ahd. Sprachdenkmälern kommt das ständige Wachstum  des  Wortschatzes  im
Zusammenhang  mit  der  Entwicklung  der  feudalen  Kultur,  der  klerikalen
Bildung,  des  Staats-und  Rechtswesens,  mit  der  Übertragung  zahlreicher
lateinischer theologischer und philosophischer  Schriften  in  die  deutsche
Sprache und der Schaffung der dazu notwendigen Terminologie zum Ausdruck.
  Der deutsche  Wortschatz  bereicherte  sich  einerseits  durch  zahlreiche
Entlehnungen, andererseits durch Wortbildung. Die meisten  Entlehnungen  der
vor - und ahd. Zeit sind aus der lateinischer Sprache z. B. :
lat. secula - ahd. sihhila "Sichel "'lat. vinum - ahd wîn "Wein ";
lat. pirum - ahd. bira "Birne ", lat. persica - ahd. pfersich "Pfirsich '
lat. via strata" Heeresstraße " - ahd. stra33a "Straße ".
Aus  dem  Latein  sind  auch   die   Monatsbezeichnungen   entlehnt.   Durch
Lehnübersetzungen entstanden die Namen der Wochentage ( die  Siebentagewoche
wurde von den Germanen im  III  -V  Jh.  unter  griechischen  und  römischen
Einfluß eingeführt ) : lat. Martium - ahd. marzeo,  merzo  "  März  ",  lat.
Maius - ahd. meio " Mai ", lat. Augustus - ahd. augusto  "  August  ",  lat.
dies Solis - ahd. sunnûntag " Sonntag ", lat. dies Lunac -  ahd.  manatag  "
Montag ".
   Aus dem Bereich des Kirchenlebens stammen die  Wörter  lat.  claustrum  -
ahd. klôstar " Klostar ", lat. templum  -  ahd.  tempal  "  Tempel  ",  lat.
monachus - ahd. munich    " Mönch ", lat. crucem - ahd. krûzi " Kreuz ".
   In  der  Wortbildung  spielen  sowohl  die   Ableitung   als   auch   die
Zusammensetzung eine große Rolle. Die Ableitung der  Substantive  mit  Hilfe
von Ableitungssuffixen :
ahd. trag - an - treg - ir " Träger " , ahd. hôh - hôhî " Höhe "  ,  rein  -
reinida " Reinheit " , ahd. kunni " Geschlecht "- kun ing " König "  ,  ahd.
friunt " Freund " - friunt -in "Freundin " .
   Ein beliebtes Wortbildungsmittel ist in  allen  altgermanischen  Sprachen
auch die Zusammensetzung, z.B. erd - biba " Erdbeben ", beta - hûs  "Bethaus
", " Kirche " , gast - hûs " Gasthaus " , mitti - tag " Mitttag " , himil  -
richi " Himmelreich " .
   In  der  mhd.  Zeit  bereichert  sich  der  Wortschatz  nicht  nur  durch
Entlehnungen aus anderen Sprachen, in erster Linie  aus  dem  Französischen,
sondern auch durch Bedeutungsentwicklung der terminologischen Lexik und  der
Berufslexik, z.B. afr. tornei -  ahd.  turnei  "  Turnier  "  ,  aventure  "
Abenteuer " .
   Viele Wörter ändern ihre Bedeutung z.B. ahd. wîp, nhd " Weib " -  es  war
im Ahd. eine Geschlechtsbezeichnung ( " æåíùèíà "  ).
   Große  Bedeutung für die Entwicklung der  abstrakten   Lexik  hatten  die
philosophischen Schriften  der  Mystiker  im  XII-XIV  Jh.  In  dieser  Zeit
entstanden die Wörter begreifen,  Eigenschaft,  Eindruck,  Einfluß,  Zufall,
einsehen, bildlich...
   Mit der Entwicklung der  Geschäftssprache  beginnt  die  Entwicklung  der
terminologischen Lexik und der Berufslexik, z.B. urkunde, brief  "  Dokument
", rat " Rat ", burger " Bürger ", rihten, urteilen " richten "  ,  arzat  "
Arzt " , antwerker " Handwerker " , beker " Bäcker " , gartner "  Gärtner  "
, goldschmiede " Goldschmied "
                                    - 24 -


   Die frühneuhochdeutsche Zeit  brachte  die  Entwicklung  von  Handel  und
Industrie,  die  stürmische  Reformation  und  die  politischen  Kämpfe  des
Bauernkrieges, die Ausbreitung der deutschen Sprache auf immer neue  Sphären
des gesellschaftlichen Lebens, der Wissenschaft und Kunst.  Das  alles  rief
bedeutende   Wandlungen    im    Wortschatz    der    werdenden    deutschen
Literatursprache hervor.
    Wie  in  den  vorausgegangenen  Epochen  schwand  ein  Teil  des   alten
Wortschatzes, z.B. ahd. mihhil, mhd. michel und  ahd.  luzzil,  mhd.  lützel
wurden durch " groß " und " klein " ersetzt. Das mhd. Wort arebit  "  Mühsal
", " Kampf " ändert seine Bedeutung : nhd. Arbeit; mhd. "  Weisheit  "  ,  "
Klugheit, Wissenschaft ", " Kunst " - nhd. List . ( Siehe bei Moskalskaja  ,
S. 207-210 ).



                                   - 25 -